Da hat also der Verfassungsschutz mal wieder den Paragraphen
des Landesverrats entdeckt, und man dachte sich in einem Anflug sommerlichen
Hochgefühls, man könnte doch mal wieder ein paar Schlagzeilen produzieren,
indem man die Strafvorschrift wie vor einem guten halben Jahrhundert bei der
Spiegel-Affäre mal wieder auf Journalisten anwendet: Einfach mal austesten, wie
groß die Solidarität mit diesen dubiosen Medienmenschen in der Gesellschaft so
ist. In Zeiten der „Lügenpresse“-Vorwürfe ist das Wasser auf die Mühlen derer,
die ein Grundrecht aushöhlen wollen: Die Pressefreiheit!
Ausgerechnet ein Amt, das die Verfassung schützen soll,
stellt nun die Verfassung infrage. Das ist ein für Demokraten absolut
unerträglicher Zustand!
Eigenwerbung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ernst nehmen: "Dienstleister der Demokratie"! (Foto: F. Überall) |
Medien werden in einer funktionsfähigen Demokratie
gebraucht, auch über unangenehme Wahrheiten aus staatlichen Behörden zu
recherchieren und zu informieren. Wie oft wird in der journalistischen
Berichterstattung aus formal geheimen Papieren zitiert?! Soll das in Zukunft
grundsätzlich verboten werden? Wo kommen wir hin, wenn jede Journalistin, jeder
Journalist mit strafrechtlichen Folgen rechnen muss, wenn reguläre
Berichterstattung jenseits von Katzenvideos und Servicetipps für den
Sommerurlaub zum Besuch auf der Anklagebank enden könnte?
Womöglich ist der juristische Schachzug nur ein Warnschuss
an alle, die sich allzu sehr mit den Skandalen und Skandälchen eines Amtes
befassen, die zuweilen hart am Rande der Legalität agiert. Da geht es nicht nur
um Überwachung und NSA, wie in den Berichten von netzpolitik.org. Da geht es
auch um die Aufarbeitung des rechtsextremen NSU-Skandals, bei dem die Rolle der
Verfassungsschutzbehörden bei weitem noch nicht geklärt erscheint. Natürlich
ist das alles streng geheim. Aber auch im NSU-Fall drohen eben Grundprinzipien
der Demokratie ausgehöhlt zu werden.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss
seine Strafanzeigen gegen Journalisten sofort zurückziehen! Unsere gewählten
Politikerinnen und Politiker müssen das Thema in den parlamentarischen Gremien
aufgreifen – Sommerloch hin oder her, sorgen Sie dafür dass unsere Verfassung
tatsächlich geschützt und nicht von übereifrigen Bürokraten in fundamental Frage
gestellt wird! Das Grundrecht der Pressefreiheit darf nicht zum Spielball
dubioser Interessen pflichtvergessener Schlapphüte werden!
P.S.: Die am Freitagnachmittag bekannt gewordene vorläufige Einstellung der Ermittlungen reicht aus meiner Sicht nicht aus. Aber gut, dass nun grundsätztlich geklärt wird, ob solche Strafanzeigen gegen Journalisten gegen die Verfassung verstoßen und somit direkt in den Mülleimer zu wandern haben.
Als Zeichen meines Protests gegen das Vorgehen des
Verfassungsschutzes habe ich an diesem Freitag an einer Mahnwache des Bündnisses "Stop watching us" vor dem
Bundesamt in Köln teilgenommen. Näheres dazu findet man unter diesem Link: "Stop watching us Köln"
Die Kölner Internetzeitung report-k.de hat über die Demonstration berichtet - mit Video-Kurzstatement von mir. Sat1 NRW, RTL West und ARD waren mit Kameras vor Ort.
Außerdem zum Hintergrund die Stellungnahme meiner Gewerkschaft DJV unter diesem Link: Justizposse gegen Journalisten
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