Freitag, 13. November 2015

Charlottenstraße, Berlin. 4. OG



Als Medienblog gibt es "überall dabei" nun schon seit längerer Zeit. Anfang November 2015 jedoch wurde ich zum Vorsitzenden des Deutschen Journalisten Verbands (DJV) gewählt. Das ist ein schönes, aber auch herausforderndes Ehrenamt. Deshalb hat sich für mich die Frage gestellt, wie ich künftig diesen Blog gestalte. Neben meinem Ehrenamt beim DJV - erst einmal für zwei Jahre - engagiere ich mich weiterhin als Professor an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft sowie als freier Journalist (u.a. für die Radiowellen von WDR und ARD).

Wie geht es vor diesem Hintergrund nun weiter mit "überall dabei"? Ich möchte hier konsequent meine subjektive Sicht beschreiben. Wenn es öffentliche Statements in einer meiner Funktionen gibt, kann man das an anderer Stelle nachlesen. Auf facebook oder
twitter informiere ich da recht regelmäßig. Dafür braucht niemand die Parallelstruktur eines Blogs. Also geht es hier um meine Einschätzungen, Erlebnisse oder Erfahrungen.

Ein Beispiel ist das Foto, das diesen Blogeintrag schmückt. Es ist das Klingelschild der DJV-Bundesgeschäftsstelle in der Berliner Charlottenstraße. Gelegen in einer Art magischem Dreieck zwischen Checkpoint Charlie, taz und Axel Springer Verlag. Vor ein paar Jahren durfte ich als DJV-Schatzmeister im Auftrag des Vorstands die Räumlichkeiten in der vierten
Etage besichtigen. Ich habe seinerzeit Handyfotos gemacht und den Kolleginnen und Kollegen berichtet, dass ich die Büros für geeignet halte. Jetzt darf ich hier mit dem Team aus Ehren- und Hauptamtlichen die Geschicke des DJV bestimmen.

Für einen Kölner ist das ungewohnt: Ich bin mehr in Berlin als früher, ich werde weiterhin oft an der Spree sein. Ich stelle fest, dass Medienmanager, Gewerkschaftskollegen oder Politiker Interesse daran haben, die Positionen der Journalisten wahrzunehmen. Nun will ich hoffen, dass den ersten guten Gesprächen auch Taten folgen: Dass die Themen, die uns auf den Nägeln brennen, bei politischen Entscheidungen auch aufgegriffen werden. Ich bin gespannt. Und tippe zuweilen meine Blogeinträge jetzt an einem Rechner in der Charlottenstraße. In Berlin.


Hier noch ein paar Links zu Audio-Podcasts erster Radio-Interviews als DJV-Vorsitzender:




SWR Info (Sdg. 5.11.15 auswählen)

... und ein Video-Interview von ZAPP (NDR) gibt es unter DIESEM LINK




Dienstag, 15. September 2015

Wovon leben wir eigentlich?

Na, das ist ja mal eine putzige Reaktion der Redaktion: Die "Kronen-Zeitung" hatte einen Text des Journalisten Hans Hoff nahezu vollständig auf der Webseite übernommen - natürlich ohne dem Kollegen dafür irgendetwas zu bezahlen. Mediendienste berichteten darüber, und sie holten natürlich auch eine Stellungnahme des Online-Chefs der "Krone", Richard Schmitt, ein. Für ihn ist Hoff bloß ein "Künstler, der davon lebt, gelesen zu werden", hat er offenbar gegenüber horizont.at gesagt. So einfach kann das Leben sein.

Ich glaube, heute Nachmittag gehe ich mal in den Supermarkt meines Vertrauens. Da werde ich dann die Wein-Abteilung (die mit den edlen Tropfen) plündern und ohne Bezahlen an der Kasse vorbei schlendern. Wenn ich den Einkaufswagen voller teurer Weinflaschen dann mal im Eingangsbereich des Supermarktes abstelle, beginne ich dort mit dem Verkauf ebenselber Flaschen. Sollte dann ein übereifriger Manager des Supermarkts ankommen, werde ich ihn mit der Schmitt'schen Kronenlogik überzeugen: "Als Betreiber eines Supermarkts leben Sie doch davon, dass Ihr Wein verkauft wird, oder etwa nicht?!"

Mit Verlaub: Wir Journalisten und Journalistinnen leben nicht davon "gelesen zu werden". Dafür kann ich mir nichts kaufen. Niemand wirft mir morgens Kaffee und Brötchen gratis hinterher, weil ich so schön schreibe. Nicht mal ein Abo der Kronenzeitung würde ich umsonst bekommen, weil ich anderswo "gelesen werde". In unserer Gesellschaft ist das Tauschmittel für Waren und Dienstleistungen eben Geld. Und professioneller Journalismus ist eine Dienstleistung: Wir leben davon, für unsere Arbeit bezahlt zu werden. Nicht nur manche Österreicher scheint das zu überraschen.

Links:
Bericht bei horizont.at zum Thema
Bericht bei turi2 zum Thema
Die "Kronen-Zeitung" wird aus gegebenem Anlass bewusst NICHT verlinkt.

Freitag, 4. September 2015

DJV: Ich kandidiere!

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) steht vor einem personellen Umbruch: Nach zwölf Jahren wird Michael Konken nicht mehr für das Amt des Bundesvorsitzenden kandidieren. Ich habe mich entschlossen, mich um seine Nachfolge zu bewerben. Ich möchte gerne ehrenamtlich an der Spitze des DJV stehen. Einer Gewerkschaft, die zugleich auch Berufsverband ist. Die die Solidarität von mehr als 35.000 Journalistinnen und Journalisten in Deutschland organisiert. Der DJV braucht eine starke Stimme. Ich denke, ich kann eine solche Stimme sein und bitte deshalb die Delegierten zum Verbandstag in Fulda - aber letzten Endes auch alle Mitglieder - um ihr Vertrauen!

Der Landesvorstand des DJV NRW unterstützt meine Kandidatur einstimmig. Darüber freue ich mich sehr. Öffentlich und inhaltlich habe ich mich zuerst im "Kölner Stadt-Anzeiger" geäußert, der wichtigsten Tageszeit in meiner Heimatstadt Köln. Unter den folgenden Links kann man sich einen ersten Eindruck über meine Ziele, aber auch über die Berichterstattung zu meiner Bewerbung machen:

Pressemeldung des "Kölner Stadt-Anzeiger" zur Kandidatur

Bericht bei ksta.de zur Kandidatur

Interview im Mediendienst kress.de

Bericht beim Magazin "Citynews Köln"

Interview auf der Homepage des Medienmagazins "journalist" (Herausgegeben vom DJV)

Mitteilung des DJV NRW zur Kandidatur

Mitteilung der HMKW Hochschule beim Informationsdienst der Wissenschaft

Mediendienst turi2: Frank Überall will DJV-Chef werden

Bericht bei koeln-nachrichten.de 

Bericht bei newsroom.de

Kurzbericht im "Hamburger Abendblatt" 

(Die Linkliste wird fortlaufend aktualisiert)

Donnerstag, 6. August 2015

Umfassende Aufklärung in Kölner Opernaffäre?

Kölns Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach. (FÜ-Foto)
Stadtdirektor Guido Kahlen, OB Jürgen Roters (r.) (FÜ-Foto)
Lange hat sie geschwiegen, die Kölner Stadtverwaltung. Die Nachrichten von der Insolvenz der Firma Imtech, die an der Sanierung von Oper und Schauspiel in Köln beteiligt ist, hat das Abwarten beendet: Endlich wurden meine Fragen beantwortet.

Das Presseamt der Stadt Köln hatte von mir am 27. Juli 2015 eine Anfrage per E-Mail mit "EILT"-Vermerk bekommen. Darin ging es unter anderem darum, wie das Rechnungsprüfungsamt - das nach der Gemeindeordnung für Kontrollen zuständig ist - in die Sanierung eingebunden wurde und welche Konsequenzen aus dem Debakel gezogen wurde. Der Eingang der Mail wurde bestätigt - eine Antwort gab es bis zum Mittag des 7. August 1015 nicht.

Die Informationen habe ich unter anderem in einem Beitrag für wdr.de verwendet:

(Link zum Beitrag)
 
Im Folgenden dokumentiere ich noch einmal den Text meiner Anfrage:

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit bitte ich freundlich um Beantwortung folgender Presseanfrage u.a. für den WDR Hörfunk:
Bei der Sanierung von Oper und Schauspiel hat es nach Ausführungen der Stadtverwaltung unter anderem Probleme mit unberechtigten Nachträgen von Baufirmen und Verzögerungen durch mangelnde Koordination gegeben. Die Gemeindeordnung sieht für solche Fälle Untersuchungen des Rechnungsprüfungsamtes vor. Nach großen Korruptionsfällen bei der Stadt Köln vor vielen Jahren waren auch verdachtsunabhängige Prüfungen zur Regel geworden.
  1. Welche Maßnahmen hat das RPA bisher in Sachen Sanierung Oper/Schauspiel ergriffen, mit welchem Ergebnis? Und: welche Maßnahmen sind geplant?
  2. Die Firma Imtech ist nach eigenen Angaben an der Sanierung beteiligt. In einem Bericht der „Zeit“ wird deren Gebahren als „kriminelles Geschäftsmodell“ bezeichnet (http://www.zeit.de/2015/29/imtech-flughafen-berlin-ber-verzoegerung). Unter anderem heißt es dort, dass „Stillstand auf der Baustelle … zu einem wahren Geldregen für den Imtech-Konzern geführt hat“, dass überhöhte „Beschleunigungszahlen oder Nachtragsforderungen“ angesichts eines geplanten Eröffnungstermins notwendig waren und es eine „Spezialität“ der Firma Imtech sei“, es in der Disziplin der Verschleppung zur Meisterschaft gebracht zu haben“. Ein Mitarbeiter eines Bauamtes wird mit der Aussage zitiert, „Imtech betreibt das Nachtragsmanagement am aggressivsten. Sie weisen Kosten nach, ohne sie gehabt zu haben.“ In verschiedenen Fällen ermitteln Staatsanwaltschaften gegen Imtech. Gibt bzw. gab es ähnliche Probleme auch in Köln?
  3. Nach den Anti-Korruptionsrichtlinien der Stadt Köln sind die Ermittlungsbehörden von validen Verdachtsfällen auch des Betrugs oder der Untreue zu melden. Sind solche Meldungen im Zusammenhang mit der Sanierung gemacht worden? Oder handelt es sich nicht um Verdachtsmomente dieser Art sondern ein reines Organisationsversagen der Stadtverwaltung?
Zur tagesaktuellen Berichterstattung wäre ich Ihnen dankbar, wenn mich Ihre Antworten so bald wie möglich erreichten. Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüße
Frank Überall


Zum Hintergrund hier noch weitere Links:

Audiobericht bei SWR 2 am 23. Juli 2015





Freitag, 31. Juli 2015

Schützt die Verfassung! Rettet die Pressefreiheit!



Da hat also der Verfassungsschutz mal wieder den Paragraphen des Landesverrats entdeckt, und man dachte sich in einem Anflug sommerlichen Hochgefühls, man könnte doch mal wieder ein paar Schlagzeilen produzieren, indem man die Strafvorschrift wie vor einem guten halben Jahrhundert bei der Spiegel-Affäre mal wieder auf Journalisten anwendet: Einfach mal austesten, wie groß die Solidarität mit diesen dubiosen Medienmenschen in der Gesellschaft so ist. In Zeiten der „Lügenpresse“-Vorwürfe ist das Wasser auf die Mühlen derer, die ein Grundrecht aushöhlen wollen: Die Pressefreiheit!

Ausgerechnet ein Amt, das die Verfassung schützen soll, stellt nun die Verfassung infrage. Das ist ein für Demokraten absolut unerträglicher Zustand!

Eigenwerbung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ernst nehmen: "Dienstleister der Demokratie"! (Foto: F. Überall)

Medien werden in einer funktionsfähigen Demokratie gebraucht, auch über unangenehme Wahrheiten aus staatlichen Behörden zu recherchieren und zu informieren. Wie oft wird in der journalistischen Berichterstattung aus formal geheimen Papieren zitiert?! Soll das in Zukunft grundsätzlich verboten werden? Wo kommen wir hin, wenn jede Journalistin, jeder Journalist mit strafrechtlichen Folgen rechnen muss, wenn reguläre Berichterstattung jenseits von Katzenvideos und Servicetipps für den Sommerurlaub zum Besuch auf der Anklagebank enden könnte?

Womöglich ist der juristische Schachzug nur ein Warnschuss an alle, die sich allzu sehr mit den Skandalen und Skandälchen eines Amtes befassen, die zuweilen hart am Rande der Legalität agiert. Da geht es nicht nur um Überwachung und NSA, wie in den Berichten von netzpolitik.org. Da geht es auch um die Aufarbeitung des rechtsextremen NSU-Skandals, bei dem die Rolle der Verfassungsschutzbehörden bei weitem noch nicht geklärt erscheint. Natürlich ist das alles streng geheim. Aber auch im NSU-Fall drohen eben Grundprinzipien der Demokratie ausgehöhlt zu werden.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss seine Strafanzeigen gegen Journalisten sofort zurückziehen! Unsere gewählten Politikerinnen und Politiker müssen das Thema in den parlamentarischen Gremien aufgreifen – Sommerloch hin oder her, sorgen Sie dafür dass unsere Verfassung tatsächlich geschützt und nicht von übereifrigen Bürokraten in fundamental Frage gestellt wird! Das Grundrecht der Pressefreiheit darf nicht zum Spielball dubioser Interessen pflichtvergessener Schlapphüte werden!

P.S.: Die am Freitagnachmittag bekannt gewordene vorläufige Einstellung der Ermittlungen reicht aus meiner Sicht nicht aus. Aber gut, dass nun grundsätztlich geklärt wird, ob solche Strafanzeigen gegen Journalisten gegen die Verfassung verstoßen und somit direkt in den Mülleimer zu wandern haben.

Als Zeichen meines Protests gegen das Vorgehen des Verfassungsschutzes habe ich an diesem Freitag an einer Mahnwache des Bündnisses "Stop watching us" vor dem Bundesamt in Köln teilgenommen. Näheres dazu findet man unter diesem Link: "Stop watching us Köln"

Die Kölner Internetzeitung report-k.de hat über die Demonstration berichtet - mit Video-Kurzstatement von mir. Sat1 NRW, RTL West und ARD waren mit Kameras vor Ort.

Außerdem zum Hintergrund die Stellungnahme meiner Gewerkschaft DJV unter diesem Link: Justizposse gegen Journalisten

 

Sonntag, 7. Juni 2015

WDR-Tarifverhandlungen: Liebe mitbringen! Und Geld!

Autor Frank Überall im Einsatz für den WDR.

Es sind mal wieder Tarifverhandlungen beim Westdeutschen Rundfunk (WDR). Das übliche Ritual ist mit der ersten Runde drehbuchreif eröffnet worden: Die Verantwortlichen der Anstalt legen ein unverschämtes Angebot vor, die Gewerkschaften zeigen sich empört und anschließend den Rücken – so eine Zumutung muss erst mal verdaut werden! Das Ritual kennen wir von Bahn, Post oder Kitas. Und jede dieser Berufsgruppen hat zuweilen Schwierigkeiten darzustellen, was jetzt genau ihre speziellen Schwierigkeiten abgesehen von alleine linearen Gehalts- und Honorarsteigerungen sind. Freien Journalisten/innen beim WDR geht das derzeit nicht anders. Das Problem spielt auf mehreren Ebenen.

Ein Minus von gut einem Drittel


So mancher träumt immer noch davon, dass Mitarbeiter beim WDR unglaublich viel verdienen und davon innerhalb kürzester Zeit das eine oder andere Eigenheim finanzieren können. Ich, der ich seit 18 Jahren für den WDR arbeite und für den Deutschen Journalisten Verband (DJV) die Tarife in der Anstalt mit aushandle, habe jedenfalls kein Eigenheim. Die Honorare sind nicht mehr so hoch wie früher. Woran das liegt? Zum einen werden nur die so genannten Mindesthonorare angehoben. Wo wegen eines (zum Teil drastisch) höheren Aufwands auch höhere Honorare gezahlt wurden, werden diese seit etlichen Jahren nicht mehr erhöht. Das macht für manchen zusammen gerechnet schon mal ein Minus von gut einem Drittel. Der WDR stellt sich auch in dieser Verhandlungsrunde wieder stur wenn es darum geht ALLE Honorare fair anzuheben, falls wir zu einem Tarifabschluss kommen. Wer also gute und aufwändige Arbeit leistet, wird beim WDR längst nicht mehr wertgeschätzt.

Glücklich also, wer Standard-Beiträge macht und das stets im Rahmen der Tarifabschlüsse angehobene Mindesthonorar bekommt? Nö! Warum nicht? Weil der WDR seit Jahren auch die Etats für „Sachkosten“ nicht anhebt. Und freie Mitarbeiter/innen sind „Sachen“. Zumindest, wenn es um den Etat der Anstalt geht. Merke: Fest angestellt ist man „Personal“, frei arbeitend ist man eine „Sache“. Und Sachen brauchen weniger Geld, ist doch klar! Seine Frau oder seine Katze behandelt man ja auch anders als seine Klobürste. Das müssen die WDR-Freien doch endlich mal verstehen! Denn: Wenn der Etat nie erhöht wird (im Gegensatz zum Etat für die Gehälter) und die Honorare steigen, was passiert dann? Genau – es können weniger Beiträge beauftragt werden. Das erklärt, warum im WDR so viele Studiogäste zu Wort kommen, Wiederholungen gesendet werden oder Praktikanten auf Pressekonferenzen irrlichtern.

Massenkonfektion statt Sachverstand?


Zu guter Letzt hat sich die Anstaltsleitung jetzt einfallen lassen, dass man am liebsten eierlegende Wollmilchsäue einsetzen würde. Im anstaltsinternen Fachdeutsch heißen die „Producer“, also quasi beitragssimulierende Massenkonfektionäre. Die wollte man mal schnell an den Gewerkschaften vorbei einführen, was dummerweise nicht geklappt hat. Denn viele Freie bzw. Gewerkschafter beim WDR sind als Journalisten ja die Recherche gewohnt. Dass sie nicht jeden Verstoß gegen Tarifverträge verfolgen, daran hat man sich gewöhnt. Dass aber tatsächlich wohl dosierter Protest kommen kann, hat die Verantwortlichen für das „Producer“-Papier dann doch überrascht.

Was ist das Problem an den „Producern“? Aus meiner Sicht droht der Sachverstand im Sender abhanden zu kommen. Wer für ein pauschales Honorar etliche journalistische Tätigkeiten auf Anweisung erledigen muss, kann sich kaum noch in ein Thema richtig „einarbeiten“. Im Übrigen gibt es schon ein Modell der pauschalen Bezahlung für Arbeitskraft, und das ist nicht die freie Mitarbeit: Das ist die Festanstellung!


KEF sollte Prekarisierung verhindern!


Aber eigentlich ist das ja alles auch egal. Jeder kann alles, und Qualität ist ohnehin nur eine überschätzte Qual. Und wer sich dieser Qual als Journalist/in freiwillig ausliefert, soll halt „die Liebe mitbringen“, und Geld am besten noch dazu. Es ist schließlich eine Ehre, die mediale Bühne des WDR bereitet zu bekommen! Gleichwohl sollte man gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk darauf achten, seine Mitarbeiter fair zu behandeln. Das ist auch der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) ins Stammbuch zu schreiben: Leute, kümmert Euch gefälligst auch mal um die zunehmende Prekarisierung durch einfallsreich konstruierte Vermeidung von Festanstellungen in den beitragsfinanzierten Sendeanstalten! Gute Arbeit ist gutes Geld wert. Das muss auch die KEF akzeptieren und endlich dafür sorgen, dass Etats auch für „Sachkosten“ (also Honorare) nicht verkümmern. Liebe allein reicht nicht für guten Journalismus.

Mein Tipp für die Hierarchen, die gerade mit uns Gewerkschaften über Tarife verhandeln wollen:
Bringt - wie es unser Intendant Tom Buhrow so schön sagt - Liebe mit!
Liebe zum hervorragenden Journalismus. Ach ja: und Geld!

Montag, 6. April 2015

Tsunami? Staatsschutz, übernehmen Sie!

Als Journalist erhält man viele Informationen mit Hilfe von Pressemitteilungen. Das ist so etwas wie ein ständiger newsfeed im Mail-Postfach. Dutzende, manchmal Hunderte am Tag buhlen um Aufmerksamkeit. Die Mitteilungen der Organisation "Pro NRW", die vom Verfassungsschutz unter dem Verdacht des Rechtsextremismus beobachtet wird, haben bei mir bisher nicht unbedingt oberste Priorität. Nun aber ist ein Rundschreiben in meinen Fokus geraten, das für eine Kundgebungs-Tour im Mai 2015 wirbt: In der Überschrift ist von einem "Flüchtlings-Tsunami" die Rede!

Jawohl, da steht Tsunami. Die Bezeichnung für die "sich mit hoher Geschwindigkeit ausbreitende Flutwelle" (Duden). Für ein verheerendes Naturereignis, das beispielsweise im Jahr 2004 in Thailand rund 200.000 Menschen das Leben kostete. Dieser Begriff des Massentodes wird von "Pro NRW" auf Menschen angewendet, die aus ihrer Heimat flüchten. Ich bin entsetzt.

Ich habe mich ja immer wieder intensiv mit der so genannten Pro-Bewegung beschäftigt, unter anderem auch eine empirische Studie gemacht. In den vergangenen Jahren war es aber immer so, dass diese Organisation zwar weit am rechten Rand agierte, in ihrer populistischen Rhetorik aber stets versuchte, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Von einer "Flut" der Flüchtlinge zu sprechen, war in der Vergangenheit schon schlimm genug. Aber eben nicht justiziabel. Spätestens mit dem "Tsunami"-Begriff sehe ich das anders. Zumindest wird damit gezielt das gesellschaftliche Klima gegenüber Geflüchteten vergiftet. Womöglich ist das sogar schon Volksverhetzung. Auf jeden Fall aber ist es eine (Untersuchungs-)Aufgabe für die Behörden: Staatsschutz, übernehmen Sie!

Mittwoch, 25. Februar 2015

Rockergruppen: Ein Lernprozess beim Bild- und Sprachgebrauch

Es waren mal wieder eindrucksvolle Schlagzeilen: Ein krimineller Rockerclub wurde verboten, diesmal sogar bundesweit. Die Rede ist von der Vereinigung Satudarah. Bei einer Razzia in NRW wurden Messer, Schlagstöcke und -ringe, Macheten, Schwerter und Gaspistolen gefunden. Es scheint also nicht nur um gemütliches Motorradfahren zu gehen bei Satudarah, sondern um handfeste, gewalttätige Auseinandersetzungen. Die meisten Experten sehen Rockerclubs im Schatten der Strafbarkeit. Wie aber gehen Medien damit um? Oft ziemlich naiv.

Das fängt schon bei der Bildsprache an, die zur Illustration der Verbotsverfahren verwendet wird. Die "Süddeutsche Zeitung" beispielsweise machte ihre Berichterstattung mit einer umfangreichen Optik über vier Spalten auf. Zu sehen sind nicht etwa Fotos der Razzia oder der sicher gestellten martialischen Kampfgerätschaften, sondern eine galant dahin brausende Zunft von Motorradfahren.

"Wir haben in den letzten Jahren viel dazu gelernt' erklärte Jörg Diehl von "Spiegel Online" beim Europäischen Polizeikongress in Berlin. Bei einer Podiumsdiskussion, die ich moderieren durfte, erklärte er seinen mit der Zeit veränderten Bild- und Sprachgebrauch bei der Beschreibung der Rockerszene: "Früher haben wir aus Polizeimeldungen Begriffe wie Präsident des Clubs übernommen, heute gehen wir damit anders um, sprechen zum Beispiel lieber von Anführern."

Jedes achte Delikt wird im BKA-Lagebild zur Organisierten Kriminalität den Rockerclubs zugeordnet. Aber natürlich sind nicht alle Rocker kriminell. Die NDR-Reporter Angelika Henkel und Stefan Schölermann haben schon vor Jahren anlässlich einer Diskussion beim Bund Deutscher Kriminalbeamter darauf aufmerksam gemacht, dass Rockerbanden "nicht nur ein Phänomen, sondern ein Bestandteil der Gesellschaft" seien: "Damit haben sie ein Recht auf faire und ausgewogene Berichterstattung."

Frank Überall beim Europäischen Polizeikongress in Berlin
Das wiederum geht dem Kriminaldirektor Stephan Strehlow vom LKA Berlin manchmal zu weit. Es gebe Beispiele, bei denen das Rockerleben einseitig glorifiziert werde: "Das sind quasi Werbefilme." Tatsächlich müsse man sich auch öffentlich bewusst machen, dass gewalttätige und kriminelle Handlungen bei Rockergruppierungen Alltag seien.

Die verschiedenen Clubs werden aber selbst bei der Berichterstattung über ihre Straftaten oft romantisch dargestellt. Die medial verbreiteten Fotos von galant daher brausenden Bikern vermitteln bei den meisten Betrachtern auf der emotionalen Ebene nicht gerade das Bild einer echten Bedrohung. Das hat etwas von Folklore, wobei der Kern der handfesten Lebensgefährdung innerhalb der Rockergruppen, aber auch für unbeteiligte Bürger, kaum dargestellt wird. In manchen Redaktionen ist der Lernprozess im medialen Umgang mit Rockergruppen offenbar längst nicht abgeschlossen.

Link zum Buch "Rockerkrieg" von Jörg Diehl

Freitag, 6. Februar 2015

WDR: Unternehmerisches Dumping macht dumm

Ich finde es immer wieder putzig, dass Hierarchen des Westdeutschen Rundfunks (WDR) ihren Arbeitgeber als "Unternehmen" bezeichnen. Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt ist kein Unternehmen, und sie soll es auch gar nicht sein. Der WDR hat einen Programmauftrag, für dessen Erfüllung er von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt wird. Dazu gehört  die Ablieferung anständiger journalistischer Arbeit - die wiederum ebenfalls fair bezahlt werden muss. Streichorgien nach ideologisch-unternehmerischem Kahlschlag-Kapitalismus sind nach dem WDR-Gesetz nicht vorgesehen

Die Hierarchen aber scheinen an solchen Erkenntnissen kaum interessiert zu sein. Die Möchtegern-Unternehmer in der Anstaltsleitung haben ein radikales Sparprogramm aufgelegt. So weit, so schlecht. Jetzt kommen sie aber noch mit Honorar-Dumping um die Ecke, das zumindest juristisch äußerst zweifelhaft ist. An Stelle von berufsmäßig-professionellen Journalistinnen und Journalisten sollen so genannte "Producer" eingesetzt werden, und freie Mitarbeiter sollen künftig zu reduzierten Honoraren alle möglichen Kanäle bespielen: Radio, Fernsehen, Internet, soziale Netzwerke....

Selbstplagiat als billige Ramschware?

Der Clou dabei ist die Idee, dass es für die einzelnen Beiträge viel, viel weniger Geld geben soll, am liebsten sogar pauschale Bezahlungen. Die journalistische Recherche sei doch mit dem Kauf des ersten Beitrags schon gezahlt, meint der WDR - der Rest wird sozusagen als billige Ramschware, als beliebiges Selbstplagiat herab gewürdigt. Dass die adäquate Aufarbeitung eines Themas für's Radio ganz anders als im Fernsehen ist, dass Internet wiederum ganz anders funktioniert - das interessiert niemanden mehr. Hinzu kommt: Wer nicht alles gleichzeitig kann, wird es als Journalist beim WDR schwer haben.

Alleskönner sind aber selten. Wichtig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind gerade auch die Spezialisten. Ich will nicht, dass ein Sportreporter über Politik berichtet, und es macht auch nicht immer wirklich Sinn, wenn ein Autor für Hörfunkfeatures mal eben zu Liveschalten im Fernsehen gezwungen wird. In Einzelfällen kann das gut funktionieren, es aber im blinden Sparwahn zum - im wahrsten Sinne des Wortes - BILLIGEN Standard zu erklären, ist unprofessionell. Und das macht dumm. Denn die gesellschaftliche Aufgabe der umfassenden und eben journalistisch-professionellen Information wird dadurch nicht mehr hinreichend sicher gestellt!

Sowas dann auch noch an den Gewerkschaften vorbei durchzuziehen -entgegen der geltenden Regeln des Tarifvertrags - ist so bestürzend, dass mir die Worte dafür fehlen. Und das passiert mir nicht häufig. Würden solche Taschenspielertricks in Unternehmen stattfinden, würden Redaktionen wie MONITOR groß darüber berichten. Wie war das noch - einige WDR-Chefs wollen, dass der WDR als Unternehmen gesehen wird?!


Linktipp: Hintergründe auch hier beim DJV NRW