Samstag, 16. Juli 2016

Medien in der Türkei: Ein Trauerspiel

Die Ereignisse überschlagen sich. Anfang der Woche war ich noch in Istanbul, um Redaktionen oppositioneller Medien sowie Journalistengewerkschaften und -verbände zu besuchen. Was ich dort erlebt habe, war beklemmend - aber gleichzeitig durfte ich beobachten, wie Kolleginnen und Kolegen in der Türkei trotz aller Widrigkeiten einfach ihren Job machen. DIe Pressefreiheit war schon vor dem versuchten Militärputsch eingeschränkt. Aus meiner Sicht willkürliche Strafverfahren sollten Journalisten offenbar einschüchtern.

Frank Überall vor der schwer gesicherten Redaktion von "Cumhuriyet" in Istanbul. (Foto: Pascal Beucker, www.beucker.de)
Wie es jetzt weiter geht, ist völlig unklar. Ich stehe in Kontakt mit einigen Kolleginnen und Kollegen in der Türkei. Sie sind verunsichert, sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Präsident Erdogan hatte in der Nacht des Putschversuchs die nicht staatlichen Medien genutzt. Da hat sich gezeigt, wie wichtig funktionierende Pressefreiheit ist. Nun darf Erdogan diese Medien nicht weiter in ihrer Arbeit behindern. Das muss auch nachhaltiger zum Thema aller Gespräche der deutschen Regierung und der EU-Vertreter mit den türkischen Behörden werden. Es ist ein Trauerspiel, was sich in der Türkei abspielt. Ich wünsche mir so sehr, dass es eine friedliche Entwicklung gibt, die dann auch zu einer echten Demokratisierung der Türkei führt. Ich hoffe, dass mein Optimismus nicht enttäuscht wird.

Informationen zu meiner jüngsten Türkei-Reise gibt es unter anderem unter diesen Links:

Interview bei n-tv.de

Bericht in der Berliner "tageszeitung" (taz)

DJV-Pressemitteilung: "Journalismus ist kein Verbrechen"

"kress.de" zu Gewerkschaftsarbeit in der Türkei

Video: Interview beim TV-Nachrichtensender ntv

DJV-Pressemitteilung 16.7. (nach Rede Bundeskanzlerin Angela Merkel)

Interview bei IMC TV (Foto: Pascal Beucker, www.beucker.de)





Dienstag, 24. Mai 2016

#starkesUrheberrecht: Eine Frage des (Über-)Lebens



Urheberrecht – das klingt erst mal etwas sperrig. Für Journalistinnen und Journalisten (und nicht nur für die!) ist es aber ein rechtlicher Rahmen, der über das Überleben entscheidet. Es ist nicht (mehr) selbstverständlich, dass für die Nutzung geistigen Eigentums bezahlt wird. Das Internet hat die Sitten verlottern lassen. Viele meinen, „Content“ sei gratis zu haben, weil jeder Texte, Töne und Bilder kostenfrei herstellen und anbieten kann. Diese Haltung berücksichtigt aber nicht, dass es Profis gibt, deren beruflich die redaktionelle Erarbeitung von Inhalten ist. Genauso wie es Millionen Hobby-Fußballspieler gibt, gibt es sicher genauso viele Hobby-Journalisten. In beiden Bereichen jedoch gilt: Wer mit guter Ausbildung und professionellem Handwerk aktiv ist, muss von diesem Beruf aber auch leben können.
 
Die Bundesregierung hat das prinzipiell erkannt, indem sie sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Situation der Urheberrinnen und Urheber verbessern zu wollen. Ein erster Entwurf des Justizministeriums von Heiko Maas (SPD) ging da schon in die richtige Richtung – der spätere Entwurf der Bundesregierung aber droht die Situation nicht zu verbessern sondern zu verwässern.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) jubiliert bereits über das Gesetz, das für Urheber ein Grauen ist. Ob Journalistinnen und Journalisten mit ihren Honoraren auf das Niveau von Mindestlohn kommen, ist der Zeitungs-Lobby offenbar gleichgültig. Und bei der Diskussion um „untergeordnete Werke“, für deren Nutzung ein angemessenes Entgelt fällig wird, verweigern sich die Verleger grundlegend: Sie haben bereits angekündigt, das geöffnete Törchen des Gesetzentwurfs weiträumig nutzen zu wollen. Selbst eine „Seite 3“ der Süddeutschen Zeitung wäre nach Verleger-Definition bloß ein „untergeordnetes Werk“, das sie profitabel weiter vermarkten können, ohne dass Urheber daran beteiligt werden. Auch das eigentlich vorgesehene Verbandsklagerecht soll ausgehöhlt werden: Für freie Journalistinnen und Journalisten wäre die Einführung einer solchen Klagemöglichkeit aber wichtig, weil sie allein zu schwach sind, um ihre berechtigten Interessen gegenüber Medienhäusern durchzusetzen.

Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern sind jetzt am Zuge: Sie müssen zeigen, dass ihnen die Kreativen in unserer Republik nicht egal sind. Sie müssen den Gesetzentwurf so anpassen, dass Medienmitarbeiter von ihrem Beruf leben können.


Hintergrund:

(Bericht der FAZ zu einer Veranstaltung in Sachen Urheberrecht beim Deutschen Anwaltverein und JVBB im DJV)

(Gastbeitrag von Frank Überall bei vorwaerts.de)

(Homepage der Initiative Urheberrecht)

(Blogparade zum Urheberecht)

- Dieser Blogbeitrag nimmt an der Blogparade #starkesUrheberrecht teil. -

Mittwoch, 17. Februar 2016

Sind wir nicht alle ein bisschen Presse?!

Journalistin oder Journalist darf sich jede/r nennen. Für viele ist es irgendwie auch attraktiv, sich damit zu schmücken "was mit Medien" zu machen. Wer das als solides Handwerk und hauptberuflich macht, sieht sich immer häufiger mit Amateuren und Möchtegern-Medienvertretern konfrontiert. Bei Demonstratationen, Veranstaltungen oder Pressekonferenzen tauchen zuweilen seltsame Gestalten auf. Ihnen geht es gar nicht darum, über die entsprechenden Termine zu berichten: Sie wollen einfach zur dabei sein, vermeintliche Vorteile genießen, sich wichtig tun. Deshalb kämpft unter anderem der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) darum, dass die Innenministerkonferenz den Presseausweis für hauptberuflich Tätige wieder formal anerkennt.


Denn es gibt inzwischen (zu) viele graue und schwarze Schafe auf dem Markt. Sie werben aggressiv für den Verkauf so genannter Presseausweise. Ein besonders drastisches Beispiel ist an diesen Tagen mitten in Berlin zu beobachten. An Laternen sind auffällige Reklameaufkleber (Foto) zu bewundern, auf denen Presseausweise wie Billigwaren angepreist werden. Folgt man dem angegebenen Internetlink, wird schnell klar, worum des den Initiatoren geht: Hier soll kein Arbeitsmittel für "echte" Journalistinnen und Journalisten verkauft werden, es geht um etwas ganz anderes. "Kann hier wirklich jeder einen Presseausweis bestellen?", ist auf der Internetpräsenz des eigenwilligen Unternehmens zu lesen. Die darunter veröffentlichte Antwort ist entlarvend: "Ja, du musst aber die Absicht haben für die Presse zu arbeiten!" Es reicht also, mal locker zu erklären, dass man gerne "was mit Medien" machen will, und schon flattert für einen saftigen Preis ein eigentlich wertloses "Ausweisdokument" in den heimischen Briefkasten... Mit seriösem Journalismus hat das aus meiner Sicht nicht viel zu tun. Mehr zum legitimen Presseausweis gibt es unter diesem Link.

Linktipps: 
- Stefan Laurin berichtete am 3. März 2016 in der Tageszeitung "Die Welt" über das Thema.
- Interview mit Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt u.a. zu Presseausweisen bei augenzeugen.info
- Tagesspiegel-Bericht zur Wendt-Forderung nach offiziellem Presseausweis