Mittwoch, 25. Februar 2015

Rockergruppen: Ein Lernprozess beim Bild- und Sprachgebrauch

Es waren mal wieder eindrucksvolle Schlagzeilen: Ein krimineller Rockerclub wurde verboten, diesmal sogar bundesweit. Die Rede ist von der Vereinigung Satudarah. Bei einer Razzia in NRW wurden Messer, Schlagstöcke und -ringe, Macheten, Schwerter und Gaspistolen gefunden. Es scheint also nicht nur um gemütliches Motorradfahren zu gehen bei Satudarah, sondern um handfeste, gewalttätige Auseinandersetzungen. Die meisten Experten sehen Rockerclubs im Schatten der Strafbarkeit. Wie aber gehen Medien damit um? Oft ziemlich naiv.

Das fängt schon bei der Bildsprache an, die zur Illustration der Verbotsverfahren verwendet wird. Die "Süddeutsche Zeitung" beispielsweise machte ihre Berichterstattung mit einer umfangreichen Optik über vier Spalten auf. Zu sehen sind nicht etwa Fotos der Razzia oder der sicher gestellten martialischen Kampfgerätschaften, sondern eine galant dahin brausende Zunft von Motorradfahren.

"Wir haben in den letzten Jahren viel dazu gelernt' erklärte Jörg Diehl von "Spiegel Online" beim Europäischen Polizeikongress in Berlin. Bei einer Podiumsdiskussion, die ich moderieren durfte, erklärte er seinen mit der Zeit veränderten Bild- und Sprachgebrauch bei der Beschreibung der Rockerszene: "Früher haben wir aus Polizeimeldungen Begriffe wie Präsident des Clubs übernommen, heute gehen wir damit anders um, sprechen zum Beispiel lieber von Anführern."

Jedes achte Delikt wird im BKA-Lagebild zur Organisierten Kriminalität den Rockerclubs zugeordnet. Aber natürlich sind nicht alle Rocker kriminell. Die NDR-Reporter Angelika Henkel und Stefan Schölermann haben schon vor Jahren anlässlich einer Diskussion beim Bund Deutscher Kriminalbeamter darauf aufmerksam gemacht, dass Rockerbanden "nicht nur ein Phänomen, sondern ein Bestandteil der Gesellschaft" seien: "Damit haben sie ein Recht auf faire und ausgewogene Berichterstattung."

Frank Überall beim Europäischen Polizeikongress in Berlin
Das wiederum geht dem Kriminaldirektor Stephan Strehlow vom LKA Berlin manchmal zu weit. Es gebe Beispiele, bei denen das Rockerleben einseitig glorifiziert werde: "Das sind quasi Werbefilme." Tatsächlich müsse man sich auch öffentlich bewusst machen, dass gewalttätige und kriminelle Handlungen bei Rockergruppierungen Alltag seien.

Die verschiedenen Clubs werden aber selbst bei der Berichterstattung über ihre Straftaten oft romantisch dargestellt. Die medial verbreiteten Fotos von galant daher brausenden Bikern vermitteln bei den meisten Betrachtern auf der emotionalen Ebene nicht gerade das Bild einer echten Bedrohung. Das hat etwas von Folklore, wobei der Kern der handfesten Lebensgefährdung innerhalb der Rockergruppen, aber auch für unbeteiligte Bürger, kaum dargestellt wird. In manchen Redaktionen ist der Lernprozess im medialen Umgang mit Rockergruppen offenbar längst nicht abgeschlossen.

Link zum Buch "Rockerkrieg" von Jörg Diehl

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen