Sonntag, 7. Juni 2015

WDR-Tarifverhandlungen: Liebe mitbringen! Und Geld!

Autor Frank Überall im Einsatz für den WDR.

Es sind mal wieder Tarifverhandlungen beim Westdeutschen Rundfunk (WDR). Das übliche Ritual ist mit der ersten Runde drehbuchreif eröffnet worden: Die Verantwortlichen der Anstalt legen ein unverschämtes Angebot vor, die Gewerkschaften zeigen sich empört und anschließend den Rücken – so eine Zumutung muss erst mal verdaut werden! Das Ritual kennen wir von Bahn, Post oder Kitas. Und jede dieser Berufsgruppen hat zuweilen Schwierigkeiten darzustellen, was jetzt genau ihre speziellen Schwierigkeiten abgesehen von alleine linearen Gehalts- und Honorarsteigerungen sind. Freien Journalisten/innen beim WDR geht das derzeit nicht anders. Das Problem spielt auf mehreren Ebenen.

Ein Minus von gut einem Drittel


So mancher träumt immer noch davon, dass Mitarbeiter beim WDR unglaublich viel verdienen und davon innerhalb kürzester Zeit das eine oder andere Eigenheim finanzieren können. Ich, der ich seit 18 Jahren für den WDR arbeite und für den Deutschen Journalisten Verband (DJV) die Tarife in der Anstalt mit aushandle, habe jedenfalls kein Eigenheim. Die Honorare sind nicht mehr so hoch wie früher. Woran das liegt? Zum einen werden nur die so genannten Mindesthonorare angehoben. Wo wegen eines (zum Teil drastisch) höheren Aufwands auch höhere Honorare gezahlt wurden, werden diese seit etlichen Jahren nicht mehr erhöht. Das macht für manchen zusammen gerechnet schon mal ein Minus von gut einem Drittel. Der WDR stellt sich auch in dieser Verhandlungsrunde wieder stur wenn es darum geht ALLE Honorare fair anzuheben, falls wir zu einem Tarifabschluss kommen. Wer also gute und aufwändige Arbeit leistet, wird beim WDR längst nicht mehr wertgeschätzt.

Glücklich also, wer Standard-Beiträge macht und das stets im Rahmen der Tarifabschlüsse angehobene Mindesthonorar bekommt? Nö! Warum nicht? Weil der WDR seit Jahren auch die Etats für „Sachkosten“ nicht anhebt. Und freie Mitarbeiter/innen sind „Sachen“. Zumindest, wenn es um den Etat der Anstalt geht. Merke: Fest angestellt ist man „Personal“, frei arbeitend ist man eine „Sache“. Und Sachen brauchen weniger Geld, ist doch klar! Seine Frau oder seine Katze behandelt man ja auch anders als seine Klobürste. Das müssen die WDR-Freien doch endlich mal verstehen! Denn: Wenn der Etat nie erhöht wird (im Gegensatz zum Etat für die Gehälter) und die Honorare steigen, was passiert dann? Genau – es können weniger Beiträge beauftragt werden. Das erklärt, warum im WDR so viele Studiogäste zu Wort kommen, Wiederholungen gesendet werden oder Praktikanten auf Pressekonferenzen irrlichtern.

Massenkonfektion statt Sachverstand?


Zu guter Letzt hat sich die Anstaltsleitung jetzt einfallen lassen, dass man am liebsten eierlegende Wollmilchsäue einsetzen würde. Im anstaltsinternen Fachdeutsch heißen die „Producer“, also quasi beitragssimulierende Massenkonfektionäre. Die wollte man mal schnell an den Gewerkschaften vorbei einführen, was dummerweise nicht geklappt hat. Denn viele Freie bzw. Gewerkschafter beim WDR sind als Journalisten ja die Recherche gewohnt. Dass sie nicht jeden Verstoß gegen Tarifverträge verfolgen, daran hat man sich gewöhnt. Dass aber tatsächlich wohl dosierter Protest kommen kann, hat die Verantwortlichen für das „Producer“-Papier dann doch überrascht.

Was ist das Problem an den „Producern“? Aus meiner Sicht droht der Sachverstand im Sender abhanden zu kommen. Wer für ein pauschales Honorar etliche journalistische Tätigkeiten auf Anweisung erledigen muss, kann sich kaum noch in ein Thema richtig „einarbeiten“. Im Übrigen gibt es schon ein Modell der pauschalen Bezahlung für Arbeitskraft, und das ist nicht die freie Mitarbeit: Das ist die Festanstellung!


KEF sollte Prekarisierung verhindern!


Aber eigentlich ist das ja alles auch egal. Jeder kann alles, und Qualität ist ohnehin nur eine überschätzte Qual. Und wer sich dieser Qual als Journalist/in freiwillig ausliefert, soll halt „die Liebe mitbringen“, und Geld am besten noch dazu. Es ist schließlich eine Ehre, die mediale Bühne des WDR bereitet zu bekommen! Gleichwohl sollte man gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk darauf achten, seine Mitarbeiter fair zu behandeln. Das ist auch der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) ins Stammbuch zu schreiben: Leute, kümmert Euch gefälligst auch mal um die zunehmende Prekarisierung durch einfallsreich konstruierte Vermeidung von Festanstellungen in den beitragsfinanzierten Sendeanstalten! Gute Arbeit ist gutes Geld wert. Das muss auch die KEF akzeptieren und endlich dafür sorgen, dass Etats auch für „Sachkosten“ (also Honorare) nicht verkümmern. Liebe allein reicht nicht für guten Journalismus.

Mein Tipp für die Hierarchen, die gerade mit uns Gewerkschaften über Tarife verhandeln wollen:
Bringt - wie es unser Intendant Tom Buhrow so schön sagt - Liebe mit!
Liebe zum hervorragenden Journalismus. Ach ja: und Geld!

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